Holen Sie sich Antworten, Nicole Pathé, pingcom.de

Holen Sie sich Antworten!

Liebe Leser,

wer fragt, der führt. Das ist ein uralter Spruch, der manchmal stimmt.

Er stimmt jedoch nur, wenn die Fragen auch Antworten generieren. Das setzt zwei Dinge voraus:

  • Sie fragen die richtige Person, damit meine ich die Person, die qua Funktion und Wissen in der Lage ist, die Frage zu beantworten.
  • Sie achten darauf und sorgen dafür, dass Sie eine Antwort erhalten.

Klingt logisch und einfach – findet jedoch im Unternehmensalltag häufig nicht statt. Da werden den Kollegen Fragen gestellt, die nur der Chef beantworten kann.  „Wäre es wohl okay, wenn ich meinen Job  als Home-office-Arbeitsplatz gestalte?“  Das wünscht sich die Mitarbeiterin der Abteilung Marketing und fragt ihre Kollegen, ob sie glauben, dass das Unternehmen zustimmt. Im ersten Schritt vielleicht noch verständlich, weil die Mitarbeiterin sich unterschiedliche Sichtweisen einholen möchte. Wenn es jedoch um eine Entscheidung geht, wird sie nicht umhin kommen, auf ihren Chef zuzugehen. Leider gehen Menschen den Weg zum eigentlichen Adressaten ihres Anliegens oft nicht. Sie gehen ihn nicht, weil sie Angst vor Zurückweisung haben, eine mögliche Auseinandersetzung scheuen, Sorge haben, mit einer Frage für „verrückt“ gehalten zu werden.

„Wie zufrieden ist der Vorstand eigentlich mit meinen Leistungen? Was denkt mein Vorgesetzter darüber, dass in meinem Bereich der Krankenstand höher ist als bei meinen Kollegen? Warum werde ich bei Beförderungen nicht berücksichtigt, obwohl meine Vertriebszahlen gut sind?“  Diese und weitere Fragen beschäftigen so manche Führungskraft,  teilweise sogar mehrere dieser Fragen gleichzeitig.

Je länger die Fragen unbeantwortet bleiben, desto quälender werden sie. Die offenen Fragen machen unsicher – es fehlt an Orientierung. Unter dieser Unsicherheit fangen die Menschen an, die Antworten an anderer Stelle zu suchen, etwa bei Kollegen oder sogar bei den eigenen Mitarbeitern.  Und wenn es gar nicht mehr geht, dann geben sie sich die Antworten halt selbst, indem sie anfangen zu interpretieren.

„Der Vorstand ist bestimmt unzufrieden mit meiner Leistung, das habe ich an seinem Verhalten beim letzten Meeting gemerkt. Da hat er mit jedem ein kurzes Gespräch in der Pause geführt – nur mit mir nicht. Und wenn ich ihn um Rückruf bitte, warte ich viel länger darauf als noch vor einiger Zeit.“

Erkennen Sie das Muster, liebe Leser? Die nicht beantworteten Fragen werden selbst beantwortet, indem  Verhalten und Situationen interpretiert werden. Da dies aus Unsicherheit und fehlendem Wissen geschieht, ist das Risiko von Fehldeutungen groß. Vielleicht ist dem Vorstand gar nicht bewusst, dass er nicht mit allen Führungskräften gesprochen hat. Vielleicht ist es gar nicht zutreffend, dass Rückrufe früher schneller erfolgten – wer führt darüber schon Protokoll?

  • Daher meine Empfehlung: Wenden Sie sich mit Ihrer Frage zeitnah und direkt an die Person, die Ihnen tatsächlich die Antwort geben kann.

Bei meiner Empfehlung spreche ich bewusst von Ihrer (einen)  Frage – nicht von mehreren Fragen.

Führungskräfte neigen manchmal dazu, ihre Mitarbeiter mit Fragen regelrecht zu überschütten. „Was halten Sie davon, wenn Sie den Wochenbericht künftig im Team verfassen? Wäre das nicht effektiver, als wenn ihn jeder einzeln anfertigt? Sie könnten ihn z.B. statt montags am Freitagnachmittag anfertigen, oder ist das wegen der Kundenfrequenz eher ungünstig?“

Solche Frage-Attacken führen meistens dazu, dass der Empfänger gar keine Antwort gibt. Im Zweifel hört der Fragende zum Schluss so etwas wie „mal sehen. . .“ und diese Worte kommen auch nur gemurmelt.

Chance vertan – wer eine Frage stellt, muss auch eine Antwort abwarten.

Meine zweite Empfehlung lautet daher: stellen Sie immer nur EINE Frage. Erst wenn Sie die Antwort erhalten haben, folgt ggf. eine zweite Frage.

Und hier noch eine praktische Übung, die ich oft in Coachings nutze:

Erstellen Sie Ihr persönliches Fragen-Konto:

  • Schreiben Sie alle Fragen auf ein Blatt, auf die Sie gerne Antworten hätten.
  • Kennzeichnen Sie die Fragen, auf die Ihnen tatsächlich niemand eine Antwort geben kann (Wird meine nächste Bewerbung erfolgreich sein?)
  • Schreiben Sie hinter die verbliebenen Fragen die Person, die Ihnen die jeweilige Frage beantworten kann.
  • Nehmen Sie sich vor, sich in einem bestimmten Zeitraum Antworten auf diese Fragen zu holen.
  • Sorgen Sie dafür, dass die Anzahl unbeantworteter Fragen immer in einem Maß bleibt, mit dem Sie sich wohl fühlen. Diese Anzahl hängt von der Dimension der Fragen sowie von Ihrer Persönlichkeit ab.

Ich wünsche Ihnen Klarheit über die Fragen, die Antworten verlangen und den Mut, diese einzufordern. Denn zu viele unbeantwortete Fragen machen unzufrieden.

Nicole Pathé